Herrn Zetts Betrachtungen, oder Brosamen, die er fallen ließ, aufgelesen von seinen Zuhörern
Zusammenfassung, Infos und Rezension Inhalt
Herr Z ist ein Alltagsphilosoph. Zwar traut er sich an alle großen Themen, von der Hirnforschung bis zu Adorno, von Nitzsche bis zur Quantenphysik. Doch lässt er sich genauso gern über die Unbillen des menschlichen Miteinanders oder die Zumutungen des Wetters aus.
Seine Bühne? Fast täglich begiebt er sich in einen Park und verwickelt an seinem Stammplatz Menschen ins Gespräch. Einige bleiben stehen, andere gehen weiter, doch schon nach kurzer Zeit hat Herr Z seine Stammhörer – einen bunten Haufen alter und junger, gebildeter und ungebildeter Menschen jeder politischen Coleur – um sich versammelt. Ein Guru möchte er freilich nicht sein. Auch lässt er sich mindestens so gern belehren, wie er belehrt.
Er lässt seine Charaktere sinnieren: „Euer Z. ist doch nur ein Sprücheklopfer. Wieso schreibt er kein Buch?“, sagen die einen. „Seit wann muss ein Philosoph drucken, was er denkt? Und was war Sokrates anderes als ein Sprücheklopfer?“ meint ein anderer. „Mir kommt er eher wie ein Rentner vor, der sich langweilt“, urteilt ein Dritter. Herrn Zetts Betrachtungen sind in 259 Minikapiteln auf 227 Seiten unterteilt. Das Buch passt in jede Sakkoinnentasche und eignet sich hervorragend als Geschenk oder als Kurzlektüre für die Mittagspause. Wer es in einem Rutsch durchlesen mag, benötigt wohl nur zwei oder drei Abende.
Rezension
Welche Deutung auch immer der rundliche und streitbare Herr Z zulassen mag, vor allem ist er unterhaltsam. Es sind köstliche Bonmots, die Enzensberger seinem Herrn Z da in den Mund legt. Etwa wenn er in Kapitel 49 schreibt: „“Nur langweilige Menschen langweilen sich“. Niemand wollte sich die Blöße geben, dass er gegen dieses Urteil protestiert hätte“. Auch sehr nett: „Man müsse sich die Hölle als einen Ort vorstellen“, so Z., „der ganz und gar von Designern möbliert sei“.
Sein Respekt vor den Altvorderen der Philosophie hält sich in Grenzen. So zitiert er einen längeren Monolog des großen Hegel und urteilt: Kein Dadaist hätte es schöner sagen können. Zuwenig, so Z. werde von uns auch „der Blödsinn der Dichter gewürdigt, der immer wieder bemerkenswerte Früchte getragen hat“. So habe niemand je entschlüsselt, was nun Rimbaud mit „Il faut etre absolument moderne“ eigentlich habe sagen wollen.
Was Enzensberger von der vorliegenden wie auch von anderen Rezensionen hält, lässt er seinen Herrn Zett ebenfalls übermitteln, wenn er in Kap. 217 einen längeren Vergleich von „Buchbesprechungen“ mit „Warzenbesprechungen“ unternimmt. In Kapitel 255 legt er nach: Wer das Glück habe, eine Putzfrau zu beschäftigen, solle sich lieber an sie als an irgend eine Rezension halten, das sei gehaltvoller. Zugegeben – Z. landet nicht nur Volltreffer. Seine längere Erörterung etwa, wonach ja eigentlich Arbeitgeber die Arbeit entgegennehmen und vice versa – und somit die Bezeichnungen eigentlich spiegelverkehrt verwendet werden müssten, ist weder neu noch originell. Manch andere Einlassung ist einfach nur verzichtbar. Aber darf nicht auch ein Philosoph mal einen schwachen Tag haben?
Das nette an Herrn Zetts Betrachtungen ist zum einen, dass man sich mit seinen Alltagsbeobachtungen wiederfindet. Amüsant und geistreich kommentiert er das Zusammenleben, die Medien, die Technik – eben alles was ihm in den Sinn kommt. Zum anderen ist ein große Vorbildung nicht nötig. Man muss nicht Hegel, Kant oder auch Stephen Hawking gelesen haben, um Zetts Einlassungen zu verstehen. Es ist ein ohne Einschränkung lebenskluges, manchmal ironisches, doch immer köstlich geschriebenes Buch, das häufig zum Nachdenken und Innehalten einlädt.
Infos
- Hans Magnus Enzensberger ist 1929 in Kaufbeuren, BRD geboren und in einer bürgerlichen Familie in Nürnberg aufgewachsen.
- „Herrn Zetts Betrachtungen, oder Brosamen, die er fallen ließ, aufgelesen von seinen Zuhörern“ beim Verlag Suhrkamp
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