Sternschanze handelt vom Leben und Lieben der Angehörigen des großbürgerlichen Milieus in Hamburg. Auch noch das letzte Klischee hinterm Ofen hervorzerrend beschreibt Bestsellerautorin Kürthy, die selbst just in der von ihr beschriebenen Gegend wohnt, wie zwei eigentlich freundliche Seelen sich auseinanderleben und ihre Authentizität verlieren, als sie gemeinsam den Aufstieg versuchen. Die Ehe zerbricht und was bleibt ist ein nahezu fünfzigjähriger Karrierist mit Geld, gutem Aussehen, Status und besten Aussichten auf der einen Seite und eine 44-jährige, mittellose Frau, die immer schon Probleme hatte ihr Gewicht in Zaum zu halten.
Nun muss sich also Nicola – so heißt unsere Heldin – plötzlich alleine zurechtfinden und stößt auf einen exzentrischen Cateringunternehmer, der seine Firma wie eine Familie führt und Nikki gleich adoptiert. Und obwohl ihr Anfangs das Geld und der Luxus ein wenig fehlen, hadert sie nicht lange und sieht das positive: Endlich entflieht sie dem Hamburger Schnösel-Schicki-Micki-Getue zwischen Eppendorf und Pöseldorf und kann wieder sie selbst sein. Einige unschöne Erlebnisse stehen ihr aber noch bevor, denn ihre Aufgabe als Kundenbetreuerin beim angesagtesten Caterer der Stadt sorgt weiterhin für hinreichend viele Feindberührungen, die Nikki zwar nicht immer schlagfertig aber dennoch irgendwie sympathisch souverän übersteht.
Um es klar zu sagen: Dass „Sternschanze“ – dort wohnt die Protagonistin übrigens vorübergehend bis sie wieder auf die Füße kommt – wegen seiner vielen bösen Klischees den Ruf der Hansestadt mindert, wie es die ZEIT nahelegt, ist ziemlich abwegig. Die Übertreibungen sind als solche zu erkennen und die maßlosen Überzeichnungen übel zu nehmen ist in etwa so intelligent, als ob man nach der Lektüre von Bambi sagt: „Aber Rehe können doch gar nicht sprechen, was wird denn hier für ein Bild vermittelt?“
Spaßig ist hier das Aufeinanderprallen der angeblichen armen aber stets authentischen und sympathischen Mittelschicht einerseits auf die Angehörigen der Oberschicht, die praktisch nie sympathisch, dafür aber ausnahmslos immer Opfer einer Essstörung und Patientinnen von Schönheitschirurgen sind.
Nimmt man etwas kleinlich die Maßstäbe aufs Korn, dann stimmen hier auch die Proportionen nicht ganz. Oliver, so heißt der böse Ex-Ehemann, wird uns als hochrangiger Angestellter eines Reedereikonzerns vorgestellt, aber nicht als Vorstandsmitglied. Maßanzüge von Tom Reimer als Standardkleidung und großbürgerliche und von der angesagtesten Innenarchitekten dekorierte Appartements in der Isestraße sind da eigentlich nicht wirklich drin. Was der fiese Seitenhieb auf Eppendorfs Starköchin Cornelia Poletto soll, ist auch nicht unbedingt ersichtlich, dafür aber deutlich. Ob die Autorin da mal einen Tisch neben der Toilette bekommen hat? Egal.
„Sternschanze“, wenngleich ein nationaler Bestseller, darf also nicht zu ernst genommen werden, Vergnügen bereitet es allemal. Und Kürthys Pointen sitzen wie Maßanzüge von Tom Reimer, oder zumindest Rooks & Rocks. „Zum erfolgreichen Seitensprung brauchst Du doch letztlich den Mann genauso dringend wie den Liebhaber“ lässt sie ihre Protagonistin in unumstößlicher Logik festhalten. Auch wenn die sechseinhalb Millionen Buchabsätze bislang vermutlich deutlich häufiger von Frauen denn von Männern verursacht wurden, bleibt also festzuhalten: Sternschanze ist ein Lesespaß, so wie alles von Kürthy und wer’s nicht mag, nimmt den Plot wohl einfach zu ernst.
- Sternschanze bei Rowohlt
- „Ich glaube nicht, dass Geld den Charakter verdirbt„. I. v. Kürthy im Interview
Text von Beste Bücher