Rezension von Annemarie
Kermani schildert seinen Einblick, den er als Muslim in das Christentum erhält.
Das Buch setzt sich aus drei Teilen zusammen. Der erste lautet „Mutter und Sohn“, der zweite „Zeugnis“ und der dritte „Anrufung“. In diesen befinden sich je 13-14 Kapitel, die alle ein bestimmtes Thema aus dem Christentum behandeln.
Kermani nähert sich diesem hochkomplexen, hochbrisanten Thema über – die Kunst. In jedem Kapitel beschreibt er ein Gemälde, das eine wichtige Begebenheit aus der Geschichte des Christentums darstellt. So ist jedem Kapitel eine große Farbabbildung zugeordnet. Der Autor interpretiert die Gemälde und erläutert die Hintergründe. Und staunt über die großartige Aussagekraft der Bilder, über die Geschehnisse.
Besonders schön an diesem Buch sind die vielen Farbabbildungen, die jeweils über eine Seite bis eine Doppelseite gehen und überwiegend christliche Gemälde zeigen.
Rezension
Ungläubiges Staunen. Der Titel dieses Buches – ebenso wie mein Gefühl, als ich die ersten Seiten gelesen habe. Kermani schreibt über eine Religion, der er nicht angehört. Und dennoch schreibt er mit einem derartigen Respekt, einer derartigen Ehrfurcht über das Christentum, dass es wohl kein überzeugter Christ hätte besser machen können. Auch Kermanis Schreibstil erstaunte mich. Er ist dermaßen fein und ausgefeilt, aber dennoch verständlich, dass das Buch aus meiner Sicht nicht nur vom Inhalt her sondern auch durch die feingeistige Schreibweise etwas außergewöhnlich Schönes ist.
Dadurch dass Kermani so unvoreingenommen an die Themen herangeht und alles auf sich zukommen lässt, wird man aber auch angeregt, seine bisherige Haltung zum Christentum und auch zu anderen Religionen kritisch zu überdenken.
Dennoch ist dieses Buch nicht für jeden etwas. Die Kunst ist in jedem Kapitel allgegenwärtig. Wer mit Gemälden nichts anfangen kann, sollte wissen, dass es im Buch häufig um das Betrachten und Interpretieren von christlichen Gemälden geht. Kermani staunt oft über die Ausdruckskraft christlicher Bilder und interpretiert sie auf seine Art.
Ganz wichtig – gerade in der heutigen Zeit – finde ich aber eine andere Erkenntnis, die ich aus dem Buch gezogen habe. Man kann, ja man muss, fremde Religionen respektieren, selbst wenn man die Ansichten dieser Religion nicht vollständig vertritt. Warum? Der Schlüssel liegt darin, dass jede Religion nicht nur einen religiösen, sondern auch einen kulturellen Wert hat, der immens ist. Wenn man andere Religionen nicht als Feinde betrachtet, sondern als kulturell wertvolle und schützenswerte Schätze, gelingt ein Neben- und Miteinander der Religionen vermutlich besser. So einfach der Ansatz von Kermani ist, so revolutionär ist er auch. Auch seine Unvoreingenommenheit und Gelassenheit wirken entspannend. Dass dieses Buch den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bekommen hat, verwundert da nicht. Ehrlich gesagt könnte ich mir kein Werk vorstellen, das ihn mehr verdient hätte als Kermanis Buch.
Mein Tipp: An alle am Christentum und geisteswissenschaftlich Interessierten: Diese Buch ist ein wahrer Schatz. Es ist die erste Lektüre, die das Christentum ausgehend von Gemälden sowohl nachdenklich und kritisch als auch fasziniert beleuchtet. Dabei sind nicht nur die behandelten Themen und die wunderschönen farbigen Gemälde ein Kunstgenuss, sondern auch die Sprache. Alles in Kombination ergibt einen feingeistigen Lesegenuss ersten Grades, der Lust auf mehr „Bibelkultur“ macht.