Rezension von Ramon

Inhalt

Barry Cohen hat sich aus einfachen Verhältnissen hochgearbeitet. Jetzt, mit Mitte 40, ist er millionenschwerer Hedgefonds-Manager und mit einer bildschönen, wesentlich jüngeren Frau verheiratet. Sein Geld investiert er unter anderem in ein Pharmaunternehmen, welches den Preis eines lebensrettenden Medikaments von einem Moment auf den anderen um das Dreiundzwanzigfache erhöht hat. Äußerlich führt er das Leben des American Dream, doch privat sieht es ganz anders aus. Seine Ehe ist kaputt und sein dreijähriger Sohn entpuppt sich als Autist. Als sich dann auch noch die Börsenaufsicht an seine Fersen heftet, schüttelt ihn die midlife-crises ordentlich durch. Er ergreift die Flucht vor der Familie und fährt mit dem Greyhound-Bus durch Amerika, um eine Frau namens Layla zu besuchen. Mit ihr hatte er auf dem College eine Romanze und jetzt träumt er davon, mit ihr wieder ein einfacheres Leben zu führen.

Der Greyhound-Bus ist in Amerika das Fortbewegungsmittel der einfachen Leute, entsprechend trifft Barry während seiner Fahrt auf Menschen, mit denen er in den letzten Jahrzehnten nicht das Geringste zu tun hatte. Natürlich werden Barrys romantisch-naive Vorstellungen von einem „ehrlichen Roadtrip“ immer wieder ironisiert. Es fängt schon damit an, dass er sich wie die mittellosen Protagonisten in Jack Kerouacs Klassiker „on the road“ fühlt, weil er nur ganz wenig Geld mit auf die Reise genommen hat. Auf seine sechs sündhaft teuren Lieblingsuhren möchte er unterwegs aber dann doch nicht verzichten.

Die Geschichte spielt in der Vor-Trump-Zeit. Noch ist Obama Präsident, noch will keiner aus Barrys altem Umfeld glauben, dass Trump tatsächlich Präsident werden könnte. Doch während seiner Fahrt mit dem nach Urin riechenden Greyhound-Bus trifft Barry auf viele Abgehängte, die mächtig wütend sind und in Trump einen Hoffnungsträger sehen. Auf diese Zeit zwischen Obama und Trump wirft Shteyngart einen genauen Blick. Der Autor ist die Route seines Protagonisten selbst abgefahren und hat Land und Leute beobachtet. In diesen Beobachtungen sehe ich die Stärke des Romans.

Leider ist dagegen die eigentliche Handlung etwas dünn und in der Anlage auch nicht wahnsinnig originell. Das wirkt mir teilweise zu sehr wie nach Lehrbuch geschrieben, bewegt sich eher schwerfällig voran und wartet auch mit keinen großen Überraschungen auf.

Fazit

Gegen Shteyngarts furiosen, vor originellen Ideen sprühenden Zukunfts-Gesellschaftsroman „Super sad true love story“ enttäuscht dieses Buch auf der Handlungsebene. Vielleicht wäre es in diesem Fall konsequenter gewesen, Shteyngart hätte ein Reportagebuch geschrieben und ungefiltert seine eigenen Beobachtungen während der Reise festgehalten. Denn der Protagonist Barry Cohen macht keine nennenswerte Entwicklung und wäre für die Geschichte im Grunde entbehrlich. Ich hätte es spannender gefunden, wenn Shteyngart jene Hedgefonds-Manager, mit denen er zur Recherche gesprochen hat, direkt portraitiert hätte. Am Besten ist das Buch, wenn die Rahmenhandlung verlassen wird und einfach Land und Leute beschrieben werden. Hier liefert es eine wirklich spannende und genaue Momentaufnahme von Amerikas Gesellschaft im Jahr 2016.