Rezension von Lisa
Es gibt wohl wenig Autoren und noch weniger Bücher über die es mehr geteilte Meinungen gibt, als über Hunter S. Thompson und sein Werk „Angst und Schrecken in Las Vegas“, oder, im Englischen Originaltitel, Fear and Loathing in Las Vegas. Dabei haben beide Standpunkte gute Argumente und so kommt es hier, noch mehr als bei anderen Büchern und Geschichten stark auf den ‚Geschmack‘ des Lesers an, denn, in erster Linie ist Hunter S. Thompson immer nur ‚Hunter S. Thompson‘. Und so gnadenlos wie er mit sich selber umgegangen ist, so gnadenlos bringt er sich auch immer selber in seine Werke ein. Daher ist man entweder Fan oder Feind, ein Dazwischen gibt es auch in seinen Büchern nicht.
„Angst und Schrecken in Las Vegas“ versucht das Amerika der 60er zu charakterisieren. Die Geschichte spielt in Las Vegas und versucht, wie schon viele Bücher zuvor, die einzigartigen Eigenschaften der Stadt als Sammelbecken der kuriosesten Charaktere, die von den moralisch dubiosen Attraktionen und der Verlockung des großen Geldes angezogen werden, darzustellen.
Dabei haben diese Figuren eben eines gemeinsam, alle Menschen denen der Protagonist begegnet hecheln auf ihre Art und Weise dem amerikanischen Traum hinterher. Hunter S. Thompson war, wenn man ihn und seine Arbeit überhaupt Kategorisieren kann, Gonzo- Journalist (ein Genre, dass er selber mit diesem Werk begründete), der seine Arbeit oft mit Fiktion mischte. So ist es auch hier. Angst und Schrecken basiert auf wahren Begebenheiten mit einem sehr großzügigen Schuss Erfindung. Der Protagonist, ein Journalist namens Raoul Duke, bekommt den Auftrag, über ein Auto- und Motorradrennen in der Wüste von Nevada, außerhalb von Las Vegas, zu berichten. Jedoch endet das Unterfangen in einer Reise, die von wilden Drogenexzessen geprägt ist. Dabei wird Raoul Duke von seinem Freund und Anwalt Gesellschaft geleistet.
Die Geschichte thematisiert die Desillusionierung mit dem ‚American Dream‘ und die Enttäuschung mit der amerikanischen (beziehungsweise, westlichen) Wirklichkeit. Es geht um die Suche nach der persönlichen und gesellschaftlichen Freiheit in einer Zeit, in der ein genereller Wahn durch Amerika und die westliche Welt ging: Der Kalte Krieg und die unmittelbare Zerstörung der Welt durch atomare Waffen stand, gefühlt, jede Minute bevor und Präsident Nixon begann seinen Kreuzzug gegen Drogen. Kurzum, es geht um das finale Zerbrechen der Ideale, für die die Alliierten im Zweiten Weltkrieg gekämpft hatten und die Realisierung, dass die Menschheit doch keine bessere, freiere und glücklichere Gesellschaft erschaffen wird.
Die Geschichte erschien 1971, zunächst in Form von zwei Artikeln im Rolling Stone Magazine, und dann ein Jahr später auch als Buch. Es ist bis heute Hunter S. Thompsons erfolgreichstes Werk, jedoch wahrscheinlich nicht sein bestes. Der andauernde Erfolg ist wohl, zum Teil, auch auf die Verfilmung von 1998 von Terry Gilliam mit Johnny Depp und Benecio Del Toro zurückzuführen. Dabei floppte der Film an den Kinokassen, wurde aber später zu einem absoluten Kult-Film gekürt. Ähnlich wie bei dem Buch, teilen sich auch bei dem Film die Meinungen stark.
Obwohl fragwürdig ist, dass Angst und Schrecken in Las Vegas in die Riege der Weltliteratur gehört, ist es ein lohnenswertes, sowie auch kurzes Buch, das die ‚echte Wahrheit‘ irgendwo zwischen Fakt und Fiktion sucht. Es geht um Vieles, aber eben immer auch um den Menschen Hunter S. Thompson, den lebenslangen Gesellschafts-Rebellen, Moralisten und (leicht) Wahnsinnigen, der 2005 durch Selbstmord verstarb.