Ein Russe, überzeugt vom System, Langstreckenläufer, sportlich, gut aussehend, macht Karriere beim sowjetischen Geheimdienst – bis er immer mehr am System zweifelt und schließlich neben seiner ranghohen Position bei den Sowjets über x Umwege Spion für den britischen Geheimdienst wird, und zwar der Beste seiner Zeit. Schlussendlich wird er verraten und schafft es, obwohl einer der besten Geheimdienste seiner Zeit ihm auf den Fersen ist, in den Westen zu fliehen und so zu überleben. Was ein bisschen nach einem billigen Filmmanuskript klingt, so unglaubwürdig und fantastisch erscheint die Story, ist tatsächlich: Komplett wahr. Sie spielt im Kalten Krieg zwischen Westen und Osten, und besagter Doppelagent trägt den Namen Oleg Gordijewski. Und genau diese unglaubliche wahre Geschichte wird in diesem Werk detailliert erzählt.
Autor ist Ben Macintyre – ein britischer Schriftsteller, der schon diverse Bestseller aus dem Spionagebereich verfasst hat und mehrfach für seine Werke ausgezeichnet wurde. Der Band ist in 15 Kapitel unterteilt, die jeweils ungefähr dreißig Seiten lang sind, plus Vorwort und einen relativ umfangreichen Epilog.
An zwei Stellen im Buch verteilt sind mehrere Fotopapierseiten mit Fotos verteilt. Diese Fotos zeigen fast ausschließlich die im Buch genannten beteiligten Personen. Der Band ist gebunden und daher auch recht stabil; er ist als Lesebuch gestaltet und sollte dementsprechend von vorne nach hinten durchgelesen werden, da man sonst diverse Inhalte nicht versteht.
Rezension
Etwas Grundlegendes zunächst: Der Band ist stark aus der Sicht des Westens geschrieben. Das heißt, Russland als der böse Staat und der Westen als das Gute prägt die Schreibweise dieses Buches. Das ist jetzt nicht unbedingt schlecht, schlägt man sich so doch beinahe sofort auf die Seite des Westens und fiebert mit Gordijewski bei seinem Kampf um die Flucht in den Westen und damit ums Überleben mit, man sollte es aber wissen.
Nur kommt dann die Moral – und die finde ich in diesem Band schwierig. Zweifellos: Als Spion war Gordijewski wirklich toll. Er hat seinen Job definitiv mehr als nur gut erledigt. Und sein idealistischer Wunsch, die gute Seite zu unterstützen, als Grund für sein lebensgefährliches jahrelanges hartes Arbeiten ist meiner Meinung nach ebenfalls aller Ehren wert. Doch wie kann ein Mensch bei der Flucht seine Frau und seine Kinder zurücklassen, wohl wissend, dass Russland mit den Verwandten von feindlichen Spionen nicht gerade zimperlich umgeht? Wie kann er seine Frau über seine Tätigkeiten gegen Russland über Jahre komplett im Unklaren lassen, vor dem Hintergrund, dass diese Russin ist und sein Handeln vielleicht gar nicht gut fand? Seine Frau und Kinder haben das Ganze mit Repressalien über einen Zeitraum von ganzen sechs Jahren nach seiner Flucht überlebt – es hätte aber auch tödlich ausgehen können. Und dieses Handeln seiner Familie gegenüber ist mir schon sauer aufgestoßen.
Andererseits kann ich dies vor dem Hintergrund, dass dies alles für seine wichtige Tätigkeit notwendig ist und die paar Personen da eben ein Kollateralschaden waren, demgegenüber ein sehr großer Nutzen stand, durchaus auch verstehen. Schwierig…
Überwiegend fand ich den Inhalt wirklich spannend und fesselnd. Gerade die Flucht Gordijewskis im hinteren Drittel des Buches, zu dem man im Band somit durchaus schon eine positive Beziehung aufbauen konnte, hat mich gefesselt. Dass zu fast allen im Buch etwas ausführlicher und nicht nur am Rande genannten Personen Fotos zu finden sind, erleichtert es, sich in die Situation hineinzuversetzen und macht den Inhalt nochmals besser miterlebbar. So fühlte es sich teilweise fast so an, als wäre man selbst dabei gewesen.
Besonders wenn man sich für die Geheimdienste in der Sowjetunion und im Westen gegen Ende des Kalten Krieges interessiert, erhält man zudem auch quasi nebenbei diverse Informationen, mithilfe derer man die damalige Situation besser verstehen kann. Das fand ich ganz gut. Im Gegenzug heißt das, dass Personen, die sich dafür so gar nicht interessieren, an diesem Band vermutlich wenig Gefallen finden werden.
Fazit: Insbesondere für Personen, die sich für Geheimdienste im Kalten Krieg und deren Arbeit interessieren, ein interessanter und wirklich fesselnder Band über einen der besten russischen Spione, dessen Überlaufen zum Westen und schlussendlich seine ziemlich unglaubliche – aber tatsächlich geschehene – Flucht aus Russland.