Rezension von Julia
Die Autorin
Die Wissenschaftsjournalistin erreicht mit MaiLab (Youtube) auch das jüngere Publikum und informiert zu wichtigen Themen beispielsweise in der Sendung Quarks. Mai Thi Nguyen-Kim meldet sich mit klaren Fakten dort zu Wort, wo Gerüchte brodeln und Falschmeldungen kursieren (aktuell zum Beispiel: Covid 19-Impfung). Bei ihrer Online Buchvorstellung bei der TU Kaiserslautern zu „Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit“ hat Sie mich mit ihrer sympathischen Art überzeugt.
Vorwort: „kleinste gemeinsame Wirklichkeit“
Im Vorwort schreibt die Autorin, dass zu ihrer Entscheidung Wissenschaftsjournalistin zu werden die Tatsache beigetragen hat, dass Wissenschaftler schon lange vor der Corona-Pandemie in Talkrunden zu wenig präsent waren. Sie ärgert sich über den hitzigen Austausch von subjektiven Meinungen in Polit-Talkshows. Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit soll abgrenzen, wo die kleinste gemeinsame „Wahrheit“ ist, mit Unterscheidung zu dem Bereich, in dem wissenschaftliche Belege fehlen und nur gemutmaßt werden kann.
Inhaltsauszug Kapitel 5 „Impfen“ – Kapitel 7 „Warum denken Frauen und Männer unterschiedlich“
Die Reaktion mit Fieber nach der Impfung ihres Babys war für die Autorin ein freudiges Ereignis. Hierdurch entsteht ein Schutz vor richtig bösen Vieren. Impfen ist neben sauberem Wasser eine der größten Erfolge in der Entwicklung. Ohne Impfungen würden wir heute noch mit Pocken, Diphterie, Kinderlähmung, Masern und vielen weiteren Erkrankungen konfrontiert sein. Wir müssen uns unserer eigenen Wahrnehmungsverzerrung bewusst sein: durch Impfen werden schlimme Krankheiten verhindert, weil die Krankheiten dann gar nicht mehr da sind, kommen sie uns nicht mehr so furchtbar vor. Durch Masernepidemien starben weltweit zwei bis drei Millionen Menschen. Mit der sogenannten Herdenimmunität können ansteckende Krankheiten komplett verschwinden. Der Vorteil bei der Herdenimmunität ist, dass auch Menschen geschützt werden, die sich zum Beispiel aufgrund von Vorerkrankungen nicht impfen lassen können. Beim Prozess der Entwicklung des Impfstoffes gegen Covid 19 wurden keine Bestandteile des regulären Prozesses zur Impfstoffentwicklung ausgelassen, die Gestaltung war nur sehr viel effizienter. Dies war aus folgenden fünf Punkten möglich: Erstens: 2002 bis 2003 gab es schon einen ähnlichen Erreger; Zweitens: es wurde zur Entwicklung viel mehr Geld zur Verfügung gestellt; Drittens: die Europäische Kommission hat schon vor der Marktzulassung den Kauf zugesichert; Viertens: während der klinischen Forschung wurden die Daten nicht gesammelt sondern direkt zur Auswertung der Behörde weiter geleitet; Fünftens: aufgrund der hohen Anzahl von Erkrankungen konnte direkt geprüft werden, ob der Impfstoff wirksam ist.
Unterschiede zwischen Männern und Frauen können aus der Kultur heraus entstehen oder biologisch sein. Männer sind mehr auf Dinge bezogen, Frauen mehr auf Mitmenschen. Dennoch sind kognitive Unterschiede nur gering ausgeprägt. Im Gegensatz dazu ist die unterschiedliche Körpergröße zwischen Mann und Frau ein Fakt. Ursache für besseres räumliches Denkvermögen bei Männern könnte auch sein, weil diese als Kinder mehr mit Bauklötzen spielen. Die Erfahrung aus dem Spielen mit Bauklötzen wirkt sich auf das Gehirn aus. Aber auch die Intention zum Spielen kommt aus dem Gehirn. Im 19. Jahrhundert gab es die Phrenologie, wonach bestimmte Eigenschaften (Instinkt, Fleiß, Kreativität etc.) bestimmten Regionen im Gehirn zugeordnet wurde. Bei einem „Wühlmäusen Elternpaar“ kommt es zu gleichem Verhalten von Vater und Mutter. Das mütterliche Verhalten ist hormonbedingt, das väterliche Verhalten durch eine dichtere Hirnstruktur. Typische weibliche Gehirne oder typische männliche Gehirne gibt es lt. Studien nicht. Medikamente wirken bei Männern und Frauen unterschiedlich.
Ausdruck/ Schreibstil
Besonders schätze ich an der Autorin, dass Sie sehr gewissenhaft in der Erklärung von Zusammenhängen ist. Weiterhin hinterfragt Sie viele Aspekte zu einem Thema und ist eine Koryphäe was gründliche Recherche betrifft. Ebenfalls ist Sie stets politisch korrekt und um Objektivität bemüht. Diese Eigenschaften machen das Fachbuch zu einem wertvollen Beitrag für gesellschaftliche Diskussionen. Die Autorin schreibt selbst zu mehreren Sachverhalten „dass es kompliziert ist“. Die Bereitschaft, sich komplexe Zusammenhänge zu erlesen ist für die Lektüre unabdingbar. Kapitel 6 „Die Erblichkeit von Intelligenz“ war für mich eine ziemliche Herausforderung. Da ich hier keinerlei Basiswissen habe, hat mir vor Fachbegriffen und Zusammenhängen ziemlich der Kopf geschwirrt. Aufgelockert wird der Text auch durch die jugendliche Ausdrücke wie: „ja, no shit“, „that being said“ oder „no matter what“.
Meine Bewertung
Schulnote 2